Für die einen Graus, für die anderen großes Geschäft: Der Online-Handel. Im Kampf um Kunden setzt der stationäre Handel deshalb verstärkt auf besondere Einkaufserlebnisse. Dass das auch richtig nachhaltig funktioniert, zeigt der im Mai eröffnete Rewe-Supermarkt in Wiesbaden Erbenheim.
Im Frühherbst blühen die Blumen auf der bienenfreundlichen Wiese in den schönsten Farben. Hübsch sieht das aus und so gar nicht nach dem typisch tristen Parkplatzambiente großer Supermärkte. Denn genau dort liegt sie: mitten auf dem Parkplatz unmittelbar vor dem neuen Rewe-Supermarkt. Der fällt schon architektonisch ins Auge, denn mehrere expressionistische Holzsäulen tragen das Vordach. Sie erinnern ein wenig an einen buddhistischen Tempel.
Rewe-Supermarkt in Wiesbaden: selbstgezüchter Basilikum
Darüber spannt sich ein gläsernes Dach, und das Sonnenlicht, das in den Raum fällt, brauchen die Kräuter, die dort wachsen. Hier liegt das Gewächshaus für Basilikum. Mehrere Hundert Pflanzen stehen dort in Reih und Glied: Setzlinge, junge Pflanzen, größere Pflanzen, verkaufsfertige Pflanzen. Am Standort Wiesbaden Erbenheim wird Basilikum für alle Rewe-Märkte der Region gezüchtet. Aber es sind nicht Supermarkt-Angestellte, die die Erde in Töpfe stopfen, Samen eindrücken und die wachsenden Kräuter regelmäßig gießen – der Prozess ist vollständig automatisiert; Temperatur, Beleuchtung und Bewässerung steuern Computern.
Rund 14.000 Töpfe werden pro Woche plastikfrei vor Ort verpackt und so laut Unternehmen jährlich 12 Tonnen Plastik eingespart. Und es ist auch nicht Leitungswasser, sondern vor allem aufgefangenes Regenwasser, mit dem die Pflanzen gegossen werden. Bevor es allerdings das Basilikum erreicht, dient es Barschen als Lebensgrundlage; die werden im Untergeschoss in kleinen Becken gezüchtet. Ihre Ausscheidungen sind der Dünger für die Kräuter, und wenn die Barsche ausgewachsen sind, landen Sie in den Rewe-Theken. Aquaponisches farming nennt sich dieses Konzept, für das der Betreiber, ECF Aquaponik-Farmysteme, in diesem Jahr den deutschen Nachhaltigkeitspreis erhalten hat. Das System verbindet zwei Kreislaufsysteme und das „umweltschonend, kosteneffizient und erfolgreich“.
Ressourcenschonende Architektur und Lebensmittelproduktion
Der Rewe-Supermarkt in Wiesbaden-Erbenheim ist ein Pilot, „Green Farming Markt“ nennt das Unternehmen dieses Konzept. Es endet aber nicht damit, dass das Gebäude die höchsten Anforderungen der Deutschen Gesellschaft für Nachhaltiges Bauen erfüllt. Dass das verwendete Holz aus zertifizierten Nadelhölzern heimischer Wälder besteht. Oder die Kombination Fisch-Kräuter viel Wasser einspart, wahrscheinlich auch weniger Dünger braucht und der Dachboden sinnvoll genutzt wird. Der Supermarkt hält für Kunden und Kundinnen außerdem eine E-Ladestation bereit, 60 Fahrradplätze und bietet auf den rund 1.500 Quadratmetern zahlreiche Produkte regionaler Lieferanten an: Obst, Gemüse, Wurst, Käse und Fleisch. 16 davon stammen direkt aus Wiesbaden.
Unmittelbar am Eingang stehen die Verkaufsstände mit regionalem Obst und Gemüse und ihnen begegnet man auch im Markt: Regionalität und ökologisch erzeugte Produkte werden sichtbar herausgestellt und beworben. Im Erbenheimer-Rewe-Markt finden sich zahlreiche vegane Produkte und sogar eine Unverpackt-Station.
Gesund und convenient: Lebensmittel-Trends der Zukunft
Mit dem nachhaltigen Konzept trifft Rewe sicher einen Nerv. Ganz nüchtern betrachtet bündelt der Markt mit dem natürlich-regionalen Einkaufserlebnis alle LEH-Trends unter einem Dach. Und weil der Lebensmittel-Kunde der Zukunft nicht nur Nachhaltigkeit erwartet und Regionalität, sondern weiterhin auch Vielfalt und Convenience-Produkte, spiegelt sich auch dieser Trend im Rewe-Pilot-Shop: Frisches Sushi gibt es hier ebenso zu kaufen, wie frische Salate, Sandwiches, Wraps, Bouletten, Currys zum Aufwärmen, zudem stehen eine Ananas-Schneidemaschine und Orangensaft-Presse bereit. Wer seine Einkaufsliste online abarbeiten möchte, kann das ebenfalls: Der Markt offeriert eine Abholstation für Online-Kunden mit sechs Parkplätzen.
Stationär einkaufen: Erlebnisreich und besser für Körper und Umwelt
Klar ist: Die Corona-Pandemie hat den Trend, sich Einkäufe und Speisen nach Hause liefern zu lassen befeuert. Gleichzeitig ist der Wunsch nach umweltverträglichen und regionalen Produkten gestiegen. Das bedeutet: Regionales und Öko-Produkte, aber auch vorgefertigte Menüs und Lieferdienste sind ein Markt, der in die Zukunft reicht – so schätzen es Expert:innen ein.
Dass es weiser wäre für viele Deutsche, statt Lieferdienste herbeizuhetzen, gemütlich aufs Fahrrad zu steigen und dem erlebnisreichen Markt vor Ort einen Besuch abzustatten, implizieren folgende Zahlen: rund 50 Prozent der deutschen Männer sind übergewichtig, bei den Frauen sind es 37 Prozent. Tendenz steigend.
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