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Lisa Müller, Maria Bildhausen und das Genusskörble

Lisa Müller steht im Gewächshaus zwischen hüfthohen Tomatenpflanzen und richtet ihr Handy auf einen weißen Pappkarton, der auf dem Fenstersims steht. Sie zoomt auf das schwarze Loch der Schachtel und wartet geduldig. Das Bild, das sie zu schießen erhofft, möchte sie auf ihrem Instagram-Kanal posten und damit ihre Follower unterhalten. Doch die Hummeln, die sie dabei fotografieren möchte, wie sie aus der Schachtel fliegen, zeigen sich nicht.

Lisa Müller vertreibt das GEnusskörble. Die junge Frau steht in der Gärtnerei in Maria Bildhausen

Nachhaltig genießen. Für immer.

Lisa Müller vertreibt seit 2019 das Genusskörble. Die Kiste ist vollgepackt mit biologisch angebautem Obst und Gemüse und inzwischen beliefert sie 180 Menschen aus der Region damit. Schon in wenigen Wochen werden sich zum noch winterlichen Gemüse die ersten Tomaten und Gurken gesellen und damit das klappt, müssen die Hummel die gelben Blüten der Pflanzen bestäuben, ganz im Sinne der ökologischen Landwirtschaft. In dem Gewächshaus ist es dafür schon warm und bis zum Hochsommer werden rund 1000 Kilo Tomaten an den Pflanzen wachsen. Lisa ist eigentlich Versicherungsvertreterin. Ihr Herz schlägt außerdem für die Jagd und über ihren Traum, sich mit einer Wildkammer selbstständig zu machen, kam sie zum Genusskörble und zu Maria Bildhausen, einem Klostergut in Unterfranken.

Genusskörble: Inklusiver Genuss für die Zukunft

Die ehemalige Zisterzienserabtei bei Münnestadt schmiegt sich seelig in ein weiches Bett zwischen den sanften Hügeln der Vorderrhön. 1158 ließen sich hier Mönche nieder und begannen mit dem Aufbau der Anlage, viele Jahrhunderte später erwarb sie Dominikus Ringeisen, Schwestern zogen in die auch architektonisch reizvollen Gebäude ein. 1929 erschufen sie eine Einrichtung für Menschen mit Behinderungen und seit 1996 wird das weitläufige Gelände, zu dem auch Hotel und Gaststätte gehört, von der kirchlichen Stiftung Dominikus-Ringeisen-Werk betrieben. Die letzte Schwester verließ das Klostergut 2017, doch Bildnisse der Schwestern finden sich noch überall in Maria Bildhausen und auch ihr Vermächtnis lebt weiter: Denn in Maria Bildhausen leben 120 Menschen mit Behinderungen und viele weitere arbeiten hier. Ein Arbeitsplatz ist die Gärtnerei mit dem Gewächshaus, in dem Lisa Müller die Hummeln fotografieren will.

Und auch der Heimatunternehmerverein der Region ist hier verortet. Regelmäßig treffen sich die Vereins-Mitglieder, um sich auszutauschen und neue Projekte zu entwickeln. 2018 stieß auch Lisa dazu mit ihrer Idee, sich mit einer Wildkammer selbstständig zu machen, in der sie selbst geschossenes Wildfleisch verabeitet. Das Ergebnis eines gemeinsamen Ausflugs nach Österreich auf einen großen Biohof, der auch ein Abokiste im Angebot hat, war allerdings nicht ein genauer Plan für ihre Wildkammer, sondern eine gemeinsame Vision: Auf dem Heimweg ratterte es bei allen, die mitgefahren waren. Wir fragten uns, wie wir solch ein Kiste bei uns umsetzen können“, erinnert sich Lisa. Die ganze Gruppe kam zu dem Schluss: Wir brauchen das in unserer Region. „Im Verein sind alles Macher. Jeder hat viel zu tun, jeder hat eigene Projekte, aber alle wollen die Region weiterbringen. Deshalb haben sich die einzelnen Vereinsmitglieder schlau gemacht und bald war klar: In Maria Bildhausen wird Gemüse angebaut, hier kann das Projekt seinen Anfang nehmen.“ Und das nahm es.

 Im Mai 2019 entscheid sich Lisa Müller dazu, das Projekt aus der Taufe zu heben. Die Wildkammer war auf Eis gelegt. Über Bekannte sammelte sie ihre ersten Abonnenten und schon im Juni ging es los „Ich bin mit meinem weißen Audi Q 5 hier angefahren und die ganze Truppe stand da und fragte sich, was will die denn jetzt“, erinnert sich Lisa lachend. Alle zwei Wochen immer donnerstags packte sie die Genusskörble in den Wagen und fuhr zunächst 15 Kisten zu Abonnenten rund um Bad Neustadt. „Manchmal kam ich nur wegen einer Kiste, die ausgeliefert werden musste. Aber das war mir egal“, erklärt sie. Inzwischen fährt nicht mehr Lisa die Abokisten aus, sondern ein Mini-Jobber und das Privatauto wurde gegen einen professionellen Lieferwagen eingetauscht. „Was ich von Anfang an schön fand, wenn ich hier war, war ich wie in einer anderen Welt und ich war immer glücklich“, erinnert sie sich.

Maria Bildhausen: Ein Ort für die Ewigkeit

Glück, das ist ein Wort, das wie der Deckel auf den Topf passt zu Maria Bildhausen. Besonders in den wärmeren Monaten treibt die Sehnsucht nach Glück unzählige Paare erst nach Maria Bildhausen und dann in die Ehe. Das ganze Wochenende über wird geheiratet. Wundern tut es nicht: Schon im zeitigen Frühjahr zeigt sich das Tal mit seinen historischen Gebäuden von seiner romantischen Seite; dicht am bewaldeten Hang gurgelt ein Bach mit eisklarem Wasser gemütlich die Klostermauer entlang, überall an den Gutsecken strahlen die kleinen Blüten der Forsythien mit Osterglocken um die Wette, Bänke laden zum Verweilen ein, es duftet würzig nach Erde, nach feuchtem Gras und Holz. Der schmucke Gutsgasthof ist heute geschlossen, Ruhetag. Aber auf der anderen Straßenseite bringt ein Gärtner die ersten Salatpflanzen in den Boden, ein anderer zieht den Schlauch hinter sicher. Kurz vor dem Wald ruht sich das Schaf vom Nachbarn im Heu aus und beobachtet das befriedete Treiben. Die Zeit steht still in Maria Bildhausen. Und sie tut es eben nicht.

„Corona und Krieg haben deutlich gemacht, dass wir nicht global sein müssen, sondern dass es Sinn macht, das Gute vor der Haustür zu nutzen und das bedeutet für uns auch die Gärtnerei zukunftsfähig zu machen und aufzuzeigen, dass man mit kleinen Flächen und Ressourcen wirklich was Tolles machen kann“, erklärt Benjamin Schmitt. Der jung aussehende schlanke Mann ist stellvertretender Werkstattleiter in Maria Bildhausen und damit zuständig für alle Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der unterschiedlichen Werkstätten. Neben Wohneinrichtungen bietet das Dominikus-Ringeisen-Werk in Maria Bildhausen Menschen mit Behinderungen nämlich außerdem viele Praktikums- und Ausbildungsmöglichkeiten wie etwa in Hauswirtschaft, im Klostergasthof, in Zentralküche, in Gärtnerei aber auch in Schreinerei und in Metallverarbeitung an. 14 Menschen sind in der Gärtnerei beschäftigt. Sie kümmern sich um die Anlage mit Friedhof sowie rund ein Hektar Fläche. Die selbst angebauten Gemüse- und Obstsorten kommen aber nicht nur auf die Tische von Lisas Abonnenten. Das angebaute Obst und Gemüse wandert auch auf die Teller der Hotelgäste, wird in der Kantine verarbeitet oder im Gasthof serviert und außerdem in umliegenden Hofläden verkauft.

Neue Ideen für Maria Bildhausen und das Genusskörble

„Und weil man den Abonnenten immer auch mal was Neues anbieten muss, bauen wir jetzt ganz neu etwa auch Grünspargel an“, erzählt Philip Nebel. Der bärtige 33-jährige ist für die Gärtnerei und die Leitung der Gruppe zuständig. Früher wohnte er in München, lange Jahre war er Chef einer großen Golfanlage, dann suchte er mehr Frieden, fand ihn zuerst beim Gärtnern und dann in Maria Bildhausen. Heute denkt er über Spargel, über Trüffel und über Melonen nach und mit Lisas Genusskörble und Benjamins Innovationswillen hat er zwei ausgezeichnete Wegebegleiter gefunden. „Außerdem haben wir einen Versuch mit Melonen gemacht. Das hat gut funktioniert. Geschmacklich waren die Wassermelonen wie man sie aus Spanien kennt. Für dieses Jahr haben wir die Anbaumenge vervierfacht“, führt er begeistert aus. Und auch über die Zukunft des historischen Apfelgartens wird schon nachgedacht, denn die uralten Bäume kommen in die Jahre. „Wir hatten vor einiger Zeit mal einen Pomologen im Garten, der war hin und weg von all den besondere Apfelsorten“, berichtet Benjamin schmunzelnd. Lisa nickt wissend. „Wegen der Äpfel haben mich schon Kunden angerufen und gefragt, was für eine Sorte das gewesen sei, so lecker wär der“, bemerkt sie. Überhaupt schätzen ihre Kunden die Qualität der Produkte, die Lisa ihnen in das Körble packen lässt. Insbesondere die älteren Abonnenten sagen: „Wenn ich‘s aus Maria Bildhausen bekomme, schmeckt‘s wie aus dem eigenen Garten“, erzählt sie.

Der gute Geschmack den Lisas Abonnenten mit dem Körble verbinden, verdankt er allerdings nicht seinen Namen. Am Anfang wurden zum Saisongemüse auch weitere regional fabrizierte Produkte beigelegt: Kaffee beispielsweise aus der Rösterei, die ihren Sitz im Klosterladen hat. „Deshalb heißt das Genusskörble auch so und eben nicht Gemüsekörble“, erläutert Lisa. Doch der Kaffee hätte sich nicht mit dem erntenassen Salat vertragen. „Und dann mag eben auch nicht jeder Kaffee“, stellt Lisa fest. „Fleisch und Gemüse wäre eine schöne Kombi, doch davon bin ich ab“, sagt sie. Zu viele Bestimmungen würden den Verkauf erschweren, zumal bei frischem Fleisch. Hinzu kämen die vielen Investitionen für die Wildkammer. „Es macht aktuell einfach keinen Sinn“, stellt sie klar. Dafür hat Philipps Team inzwischen auch alte Beerensträucher vermehrt, Beeren sollen langfristig ebenfalls das Angebot erweitern. Und auch über den Anbau von Wein wird laut nachgedacht.

Regional, saisonal und erlesen: Die Produkte aus Maria Bildhausen

Das Licht, das durch das Fenster im Gemeinschaftsraum der Gärtnerei fällt, hat jetzt einen goldenen Ton. Der Arbeitstisch aus Metall vor dem Gewächshaus ist blankgeputzt, nur ein Berg Erde prankt noch da. Die Gärtner haben sich inzwischen umgezogen und auf den Heimweg gemacht. Lisa versucht noch einmal die Hummeln zu fotografieren. Endlich. Eine Hummel tut ihr den Gefallen. Sie hat ihr Foto. Lisa steckt das Handy in die Hosentasche und läuft vor in den Klosterladen vorbei an unzähligen Bellis und Vergissmeinnicht und einem kleinen Stand mit Gemüse und Eiern. Im Laden duftet es intensiv nach Kaffee. Eine Besucherin steht vor einem Holzregal und prüft die Inhaltsstoffe auf den Wurstdosen, eine andere begutachtet die hübschen Kerzen, die auch aus Maria Bildhausen sind. „In den Laden kommen nur Produkte, die einen hohen Qualitätsanspruch haben und das oft gepaart mit sozialem Mehrwert, das Angebot spiegelt letztlich auch Lisas Genusskörble“, erklärt Benjamin. 2019 erhielt die Kaffee-Rösterei sogar den Inklusionspreis. „Außerdem sind wir mit zwei Disteln für regionale Versorgung prämiert und wir haben eine Photovoltaikanlage für die Werkstätten“, zählt er stolz auf.

Lisa plaudert noch einen kurzen Moment mit einer jungen Verkäuferin. Am Tresen liegt ein Flyer mit ihrem Konterfei. Werbung für das Genusskörble. Dann verabschiedet sich. Im Kofferraum wartet Alma sehnsüchtig, ihre Dackeldame.

Ausflugs-Tipps

Der Kreuzberg bei Bischofsheim in der Rhön verschafft mit einer Höhe von 928 Metern ein tolles Bild von der Region und dort schenkt die Gemündener Hütte einen wunderschönen Ausblick bis ins Grabfeld.

Einen traumhaften Ausblick auf die Hochröhn hält auch eine Tour mit dem Startpunkt Parkplatz Schornhecke in der Nähe von Oberelsbach bereit.

Die ganze Region ist herrlich, um zu wandern oder für Touren mit dem Mountainbike, in Bischofsheim gibt es zusätzlich ein Flowtrail für Mountainbiker. Rund um das Städtchen finden sich außerdem viele gemütliche Biergärten.

Auch Bad Neustadt ist einen Blick von oben wert: Sehr gut geht das vom schön gelegenen Rederkreuz. Die kleine Stadt mit dem Aussichtspunkt ist nur wenige Minuten mit dem Auto von Maria Bildhausen entfernt. Auf dem Hügel liegt auch ein Modellflugplatz mit kleinem Café.

Die beiden Badenseen, Irmelshausen und Burgwallbacher, da sind sich Philip, Benjamin und Lisa einig, sind echte Geheimtipps. Eine herrliche Therme findet sich dagegen in Bad Kissingen, das bayerische Staatsbad gehört zum UNESCO-Weltkulturerbe.

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