Interview

„Wir müssen wieder auf die Schulbank zurück“

Andreas Knöffel stammt aus einer Frankfurter Gärtnerfamilie und ist seit 30 Jahren als Förster bei der Stadt Frankfurt tätig. Er ist einer von sechs Revierleitern, die gemeinsam für den rund 6000 Hektar großen Stadtwald zuständig sind. Ein Besuch in seinem Niederräder Revier.

Andreas, der Stadtwald ist praktisch Dein zweites Zuhause, was hat sich in den vergangenen 30 Jahren verändert?

Ich hatte zwei Schlüsselerlebnisse, die mich sehr geprägt haben: Das war Anfang der 90er Jahre der Bau der ICE Trasse. Dafür mussten 30 Hektar Wald gerodet werden, das tut schon weh. Damals ist mir auch klar geworden, dass ich mich nicht zu sehr mit dem Wald emotional identifizieren darf, denn solche Ereignisse nehmen einen zu sehr mit. Das Problem kennen anderen Förster auch, etwa wenn sie sehen, dass der Borkenkäfer all ihr Wirken vernichtet. Ich versuche seitdem den Wald mehr als Beruf zu sehen. Vor 2018 dachte ich dann, ich habe in Bezug auf den Wald eigentlich alles verstanden, alles läuft, wie es laufen soll. Doch dieses extrem heiße Jahr belehrte mich dann eines besseren: Ich war schockiert, als ich sah, in welcher Geschwindigkeit Wald absterben kann. Das ging einher mit der Erkenntnis: Mutter Natur stutzt Dich auf ein Maß zurecht.

Wie siehst Du Deine Arbeit seitdem?

Wir müssen praktisch wieder auf die Schulbank zurück. Weniger in die Lehrbücher schauen und mehr Mutter Natur ansehen, denn sie macht Angebote und zeigt, was in Zukunft funktionieren kann: Gibt es Bäume, die der Wärme gut Stand halten? Welche, warum und unter welchen Bedingungen? Das sind Fragen, mit denen ich mich beschäftigen muss. Schon in der Vergangenheit wurden ab und an vereinzelt auch andere Baumarten gepflanzt, manche von ihnen wie etwa die Elsbeere oder Kirsche kommt hier gut zurecht. Es wird wieder mehr ausprobiert. Noch funktioniert in einigen Bereichen, was ich gelernt habe. Doch ganz generell ist der Wald sensibler geworden. Die Rotbuchen sind besonders betroffen. Die habe ich über Jahrzehnte wachsen sehen, jetzt sterben sie ab. Die Eichen halten besser durch. Und zumindest das außergewöhnlich feuchte Frühjahr hilft den Pflanzen, die wir im Stadtwald gepflanzt haben.

Du bist seit 2020 privat sowohl auf Instagram als auch auf Facebook mit dem Thema Wald aktiv, wie kam es dazu?

Grüne Themen schlagen immer mehr durch, das ist schön, nicht nur bei den Bürgerinnen und Bürgern, sondern auch in der Politik. Im Rahmen der Koalitionsverhandlungen, die aktuell laufen, steht im Koalitionsvertrag sogar drin, dass wir mehr Forstpersonal kriegen und das, ohne darum gebeten zu haben. Dass grüne Themen inzwischen interessant sind, ist mir allerdings im Jahr 2019 klar geworden, als bei einer Pflanzaktion plötzlich 500 Menschen mitgemacht haben. Menschen, die man sonst bei solchen Aktionen nie sieht. Auf meine Frage, woher sie das alle wüssten, war die Antwort, man habe es über die sozialen Medien erfahren. Da ist mir klar geworden, dass es ein Interesse an dem Thema gibt, ein breites, und das ich so Menschen erreichen kann, die ich nicht über eine Pressemitteilung oder Broschüre erreiche.

Welche Themen bespielst Du?

Ich gebe unterschiedliche Einblicke in meine Arbeit und den Wald und das in einer gewissen Tiefe. Stoff gibt es genug. Generell aber versuche ich eine gute Mischung zu finden, denn die Zielgruppen, die sich für das Thema interessieren, sind sehr unterschiedlich: Sportler, Yogafreunde, Politiker, Fridays for Future etwa. Also mache in kleine Videos zu Themen die meine tägliche Arbeit betreffen sowie Besonderheiten des Stadtwaldes: Spielparks, besondere Orte oder auch Forsttechnik und Wegebau.

Der Wald, für den Du zuständig bist, liegt unmittelbar an Flughafen und zwei großen Autobahnen, was unterscheidet diesen Wald von einem „normalen“ Wald?

Der Unterschied ist gravierend, vor allem natürlich was die Lautstärke angeht. Die muss man auszublenden versuchen, dennoch die Schönheit sehen. Im Vergleich zu einem Wald im Taunus etwa ist das sehr deutlich. Bezogen auf das Waldwachstum gibt es hier natürlich eine Menge Schadstoffe aufgrund der Autobahnen und dem Flughafen. Die Sandböden hier sind sehr sensibel und weil hier auch viel Trinkwasser gewonnen wird, darf der Boden nicht gekalkt werden, um die Säureeinträge zu neutralisieren. Man kann ihn nicht unterstützen, der Wald ist schon empfindlicher hier.

Findet man besondere Tiere im Stadtwald, jenseits von Reh und Wildschwein?

Klassiker hier bei Eichenwäldern ist der Hirschkäfer und sind die Heldböcke. In ihren fingerdicken Larvengängen haben gerne Fledermäuse ihre Wochenstuben. Ansonsten sieht man auch die üblichen Kandidaten: Mal einen Adler oder einen Eisvogel. Und über trockenheißen Perioden erlebt man eine Verschiebung in der Artenzusammensetzung, die ganz langsam passiert. Vielleicht wird man bald mal einen Pirol oder andere wärmeliebenden Vogel sehen, die man vorher nicht sah. Das kann alles passieren. Ansonsten muss man eigentlich nur die Augen offenhalten, dann sieht man besonders interessant gewachsene Bäume oder auch mal das Werk eines Schweinchens, das irgend etwas zusammengebastelt hat.

Deine Prognose, wie wird der Stadtwald in 10, 15 Jahren aussehen?

Es wird immer Wald geben, auch bei bis zu 4 Grad globaler Erwärmung. Allerdings wird dieser Wald dann eher steppenartigen Charakter haben. Wenn wir also nicht ändern in nächster Zeit ist das ein realistisches Szenario.

// Im vergangenen Jahr bot Andeas Knöffel gemeinsam mit Monica Hoffmann den Kurs „Walderlebnis“ an, den sie voraussichtlich im Spätsommer wieder anbieten werden: Die kleinen Gruppen werden zu schönen Orten im Wald geführt und können ihn mit Unterstützung der Körpertherapeutin mit allen Sinnen erleben. Neben Atemübungen steht die Entspannung auf dem Programm. Knöffel bietet außerdem Führungen durch den Wald an. Für mehr Infos: andreas.knoeffel@stadt-frankfurt.de

Andreas Knöffels Instagram-Account @andreasknoeffel

// Die Karte vom Frankfurter Stadtwald gibt es unter anderem im Stadtwaldhaus.

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